Visionen und Wege

Ideen zum Sarg
von Michael Iffländer

Der moderne Bestatter sieht seine Aufgaben längst nicht mehr nur in der Ausrichtung von Trauerfeiern und in der Abwicklung von Formalitäten.
Vielmehr wird heute dazu übergegangen, dem Verblichenen die letzte Ehre auf eine Art zu erweisen, die ihm in charakteristischer Weise gerecht wird und somit seine Persönlichkeit noch einmal deutlich werden lässt. Die Rede ist hier von zeitgemässen Bestattungsformen. Dazu bedarf es natürlich spezieller Instrumente und Vorgehensweisen. Zu diesem Thema hat sich die Kooperative Dürnau Gedanken gemacht. Unter dem Leitgedanken "Farbe- um der Seele Raum zu geben" entstand so die Verknüpfung althergebrachter Formen mit denen, die heute als innovativ und zeitgemäss gelten.

Der Akt der Bestattung ist stets auch eng mit den Gefühlen für den geliebten Menschen verbunden. "Uns liegt daran, daß der Verstorbene auf eine besondere Weise geehrt werden kann.", sagt Ulrike Reisiger von der Kooperative Dürnau.
Die Kooperative Dürnau versteht sich als eine anthroposophische Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit verschiedenen Betrieben. Dazu gehört eine Unternehmensberatung, eine Druckerei, ein Vertrieb für umweltfreundliche Produkte und ein Verlag. Durch den Bereich der Sarggestaltung nimmt die Tischlerwerkstatt innerhalb des holzverarbeitenden Betriebes mittlerweile einen großen Stellenwert ein. Neben der "obligatorischen" Herstellung von Fenstern und Türen, sowie verschiedenen Auftragsarbeiten, befindet sich hier auch die Produktion und der Vertrieb dieser besonderen Sargmodelle. Diese fanden übrigens auch bei der letzten Pieta ihre Beachtung.
Dabei kam diese Idee vor rund 8 Jahren eher zufällig zustande.
Rolf Reisiger, Geschäftsführer der Kooperative Dürnau wurde damals im Rahmen seiner Tätigkeit als Unternehmensberater darauf angesprochen, ob er sich nicht in der Lage fühle, ein Sargmodell zu entwerfen, welches auch dem inneren Anspruch einer Bestattung Rechnung trage. "Wir haben dann den schwedischen Maler Bo Eriksson und Heide Nixdorff, Textilkundeprofessorin an der Universität Dortmund im Bereich Kulturgeschichte der Textilien, hinzugezogen. Nach einigen Jahren der Entwicklung stellen wir nun seit 1994 unsere Modelle mit Erfolg her. Um die Produkte möglichst breit präsentieren zu können, haben wir zu dieser Zeit sehr viele Vorträge zum Thema "Tod und Sterben" gehalten." erklärt Ulrike Reisiger.
Bei den 3 Modellen Chalcedon, Sard-Onyx und Amethyst handelt es sich um Holzsärge für die Erd- oder Feuerbestattung mit einer Kiefer-Oberfläche und einer Farbgestaltung in Halblasur. Zur Grundausstattung gehören Kopfkissen, Matratze, Totenhemd und Bahrtuch. Weiterhin können Seidenauflagen, Schmucktücher aus Seide in den jeweiligen Sargfarben, Kissenauflagen, Kragen und Manschetten geliefert werden.

Bei der Kooperative Dürnau steht, im Gegensatz zu manch anderen Anbietern in diesem Bereich, die Gestaltung der Modelle ganz klar im Vordergrund. Das Wort "Design" hört man allerdings hier nicht gerne.
"Würde und Innigkeit sind unsere Ziele", meint Ulrike Reisiger, "Das verträgt sich nicht mit der Idee der Designerprodukte."
Martin Barkhoff, PR-Beauftragter, erklärt das Konzept so:
"Bisher sind in der Trauergestaltung aus Gründen der Natürlichkeit fast ausschliesslich Naturtöne und Erdfarben gebräuchlich. Das beruhigt die verletzten und aufgewühlten Gefühle. Man hat es aber immer öfter auch mit Menschen zu tun, für die nicht die Schmerzbewältigung an erster Stelle steht. Wenn man von Holz- und Naturtönen zu reineren Farben übergeht, werden die Gefühle für das Geschehen weniger gedämpft, eher noch gesteigert. Wir glauben, daß es ein zunehmendes Bedürfnis gibt, die Gefühle durch Farbe in der Trauergestaltung nach aussen hin zum Ausdruck zu bringen. Dadurch bekommen nicht nur Totenkleid und Totenmöbel eine andere Nuance, die gesamte Totenfeier wird hierdurch in eine andere Stimmung getaucht. Der Mensch und sein Schicksal sollen in den Mittelpunkt gerückt werden, nicht die äußeren Nützlichkeiten des Sarges. Daher wurde hier bewußt auf Griffe und Füße verzichtet und durch Tragehölzer ersetzt, die sich durch Steckdübel sicher mit dem Sarg verbinden."

"Natürlich gibt es einige Bestatter", ergänzt Ulrike Reisiger, "die sich zum Beispiel an den fehlenden Griffen stören. Andere wiederum sehen, genau wie wir, in dieser Art der Särge eine Möglichkeit, ein sonst nicht ohne weiteres zugängliches Kundensegment zu erreichen. Ausserdem sind wir der Auffassung, daß der Tod zu den wichtigsten Ereignissen im Leben gehört. Und solch wichtige Ereignisse lassen sich nun mal nicht der Funktionalität unterordnen. Daher ist es auch wichtig herauszustellen, daß man den Tod und das Sterben mindestens genauso würdevoll begehen kann, wie das Leben. Und bezahlbar ist es auch. Bei einem Preis, der sich in der mittleren Preisklasse der herkömmlichen Ausführungen ansiedelt, sind diese Modelle im Prinzip für jeden erschwinglich."

Zur Zeit ist man bei der Kooperative Dürnau damit beschäftigt, einen Kindersarg zu entwerfen. Ausserdem soll die zur Zeit fast ausschliesslich manuelle Herstellung bald auf eine, zumindestens teilweise maschinelle, umgestellt werden, um der Nachfrage gerecht zu werden.


V.D.T. Journal  Dezember 1996