Esslinger Zeitung Juli 1994
Flaneure, Schmugglerinnen, Partisanen
Rudolf Bind

Metaphern der Rast
Kleine Prosa des Schweizers Rudolf Bind

Der Schweizer Autor Rudolf Bind, geboren 1950 in Basel, hat zwei Bände mit kleiner Prosa in rascher Folge unter den Titeln "Freunde, Sternschnuppen und Schneeflocken. Kleine Suite" und "Flaneure, Schmugglerinnen, Partisanen. Prosamen und Bagatellen" veröffentlicht.
In beiden Büchern sind insbesondere Natur-, Wetter-, Chrakter-, Atmospäre-, und Seelenstimmungen auffällig, die auf den ersten Blick an Robert Walsers kleine Prosadichtungen, Thomas Manns frühe Kurzerzählungen und auch an kafkaeske Prosaminiaturen erinnern. Die Sprache ist klangvoll und gewählt, klar und gelassen gegenüber surrealen, existentiellen und helldunklen Tönen, die erst im zweiten Band ihre Berufung zum flanierenden Partisanentum mehr und mehr einschmuggeln. Rastlos wird nun der Blick zum Weg, der Weg zur Zeit, die Zeit zur Metapher, einem Quellort der Poesie. Aber auch gnomische Ausdrucksweisen entstehen: Denkbilder, poetische Aphorismen, intensive Momente der Imagination, Metaphern der kurzen Rast: "Haltestellen gehören manchmal zum Bewegensten der Fahrt."
Während die längeren Kurzprosastücke von Rudolf Bind mehr ausdeuten, eine Richtung vorgeben und den Leser aufmerksam machen wollen, wird die poetische Gestalt wieder zurückgenommen zugunsten der vermittelnden Ebene der Prosa. "Dabei ist das Verhältnis zu den Schuhen massgebend. Gute Schuhe sind wichtig für einen, der viel geht", heisst es in dem Stück "Sinn fürs Ganze". Im Gang ist Rhythmus und Charakter. Der Rhythmus der Bäume ist einem Partisanen oder Poeten geläufig, wie er dort häufig, auch im Regen, entlangspazierte.
Die Poetik des begonnenen literarischen Wegs reflektiert der Basler Autor Rudolf Bind in einer neueren Dreisatzprosa mit dem Titel:"Eines Tages": Die Erscheinung des ersten Lichts der Morgendämmerung ist durch nichts erklärbar, was in der Nacht bis jetzt zu sehen und zu erleben war. Eines Tages sagte ich mir: Schule, schärfe, pflege, hüte dasjenige Auge, das Übergänge sieht. Sonst verpasst du, dachte ich bei mir, die entscheidenden gegenwärtigen Ereignisse, wenn du nichts in den Übergängen siehst.


Tobias Burghardt

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